Thursday, February 14, 2008

'Nema Sanga blickte den Hang hinauf, an dem das kleine Haus gelegen war, in dem ihre beiden Kinder spielten. Nächstes Jahr würde der Ältere in die Schule kommen und seine kleine Schwester im folgenden Jahr.
Das machte Nema Sorgen. Sie hatte nicht viel, um das Schulgeld zu bezahlen. Das Wenige, das sie in ihren Kleidern versteckt hat, das prügelte Ihr Mann regelmäßig aus ihr heraus, um es zu versaufen.
Nema hob die Harke und fuhr fort, den harten Boden aufzubrechen und die Schollen fein zu zerteilen. Die Aussaht der Kartoffeln war vorzubereiten. Kartoffeln waren das Einzige, was in der Kälte und Feuchtigkeit der südlichen Berge gut gedieh.

„Mein Mann“ dachte Sie, „der macht mir Sorgen!“

Nie hat er viel zum Unterhalt der Familie beigetragen. Nema war mit ihm verheiratet worden, als sie 16 Jahre alt war. Es wurde damals vom Ältestenrat direkt mit ihrer älteren Schwester verhandelt, die schließlich einstimmte, dass Nema diesen Mann nehmen solle. Gut kann sich Nema noch an den Tag erinnern, an dem ihr die Schwester die Botschaft überbrachte. Üblicherweise waren solche Abmachungen unverrückbares Gesetz und die Frauen wussten, dass es zu ihrem Besten war, weil so der Clan auch für alles, was in der Ehe schief laufen würde, verantwortlich war. Das stellte auch Schutz für die Frauen da.
Trotzdem hatte Nema Angst, denn der Auserwählte war schon zweimal verheiratet gewesen und bekannt als Trunkenbold. Aber Männer im Dorf wurden nicht so schnell aufgegeben. So versuchte es der Ältestenrat immer wieder mit ihm und hatte nun Nema für ihn ausverhandelt, in der Hoffnung, dass sie ihm das geben würde, was er brauche, damit er im Suff durch sein Gezeter nicht immer das ganze Dorf in Unruhe stürzen würde. Dazu hatte man ihnen auch das leerstehende Haus abseits am Berghang zugeteilt. Abseits. Der Ruhe wegen.
Es gab viele leere Häuser in jenen Tagen. Meistens starben zuerst die Männer, die früher oft monatelang auf der Suche nach Arbeit unterwegs waren, später starben dann die Frauen, dann die meisten Kinder. Die wenigen Kleinen, die übrig blieben, die wurden dann unter Schwestern, Großmütter und andere Frauen des Dorfes verteilt. Das war es dann. Und ein Haus stand leer. Es gab Dörfer, da standen doppelt so viele Häuser leer, wie bewohnt waren.

Nema wusste, dass andere Frauen Männer mochten, die nicht aus ihrem Dorf kamen. Oder zumindest begehrten sie nicht die, die ausgewählt waren. Diese Frauen verschwanden manchmal aus dem Dorf und tauchten nie wieder auf. Selten fanden sie einen Mann in einem anderen Dorf. Doch die Meisten fanden nie Ruhe.
Zumindest wurde das erzählt und Nema war bis zu ihrer Hochzeit nie weiter als einen zweistündigen Fußmarsch von ihrem Dorf entfernt gewesen.
Nema hatte sogar gehört, dass manche von diesen Frauen verhext worden waren und nun in der Nacht umherirrten und dann in den Bars landeten, um dort für ein wenig Geld und Bier oder eine Flasche Cola schwer zu arbeiten. Man sagte, dass diese Frauen in einer Stunde mit bis zu zehn Männern schlafen mussten. Andere Frauen wären in die Berge gezogen, zu dem Stamm bei dem sich alles nur um Kühe drehte und deren Wortschatz sogar im regionalen Dialekt sehr beschränkt war. Man konnte kaum mit ihnen reden. Die konnten nur unter ihres gleichen sein, denn sonst konnte es keiner mit ihnen aushalten. Die verstanden sich nur mit Kühen und obwohl die meisten ganz nett sein sollten, waren Frauen für Sie etwas ähnliches wie eine Kuh. Wenn man, wie Nema in die Schule gegangen war, dann war es in den Bergen zu kalt, zu langweilig und zu dumpf. Es ist schwierig, es mit jemandem auszuhalten, der nicht einmal einen Bruchteil der Worte kennt, die man selbst im Kopf hat.
Nema hatte Angst vor Hexerei, vor den Bergen und keine Lust jeden Tag die harte Arbeit mit den Männern in den Bars tun zu müssen, nur um essen zu können. Das war ihr zu unsicher und zu anstrengend. Außerdem wollte sie Kinder.
Sie wusste etwas Wichtiges von ihrer Großmutter. Diese sagte immer, man solle zu den Ahnen und zu Gott beten, damit Unheil abgewendet werden konnte und das Leben gut würde. Zugleich wäre es aber wichtig, dass man selber anfangen würde loszugehen, um das eigene Leben zu gestalten und besser zu machen. Das hatte die Großmutter immer gesagt und Nema trug es wie einen Schatz in ihrem Herzen. Nur wie man losgehen sollte, das wusste Nema nicht. Und wohin?
Unsicherheit und Gefahr war überall und was man in drei Stunden angestrengtem Laufen erreichen konnte, das war schon unbekannt bedrohlich.
Die Angst vor all dem Fernen und Unbekannten war größer, als die Angst davor einem Schläger und Trunkenbold zum Mann gegeben zu werden. Also ließ Nema damals mit sich geschehen und wurde verheiratet.

Das war nun sieben Jahre und zwei Kinder her.

Nemas Ansehen war mit der Hochzeit gestiegen. Seit sie vor ihrem Mann niedergekniet war und er ihr das Stück Hochzeitskuchen mit einer Gabel zwischen ihre weit geöffneten Lippen, von oben tief in den Mund geschoben hatte. Mit selig geschlossenen Augen gehörte sie stolz und ganz zu ihm. Die umstehenden Frauen trällerten und schnalzten mit den Zungen.
Nun war er ihr Mann und sie kümmerte sich um ihn! Jeder wusste das!
Sie fand Ihr Leben als angesehene verheiratete Frau sehr viel besser. Ihr Mann schlief oft mit Ihr, aber trotzdem dauerte es über ein Jahr, bis sie schwanger wurde. Es hatte schon zu rumoren begonnen im Dorf deswegen. Nema wurde deshalb langsam unglücklich. Ihr Mann begann sie zu schlagen.

Das war anstrengend.

Wenn sie schrie, dann verprügelte er sie mit noch mehr Ernst. So schwieg sie und ließ es geschehen.

Das war klüger.

Außerdem war das Haus - wie bereits gesagt - in Voraussicht ein wenig abgelegen gewählt worden. So waren die Schreie nicht laut genug zu hören. Niemand fühlte sich wirklich gestört. Niemand würde ihr zur Hilfe eilen, damit endlich Ruhe wäre!

Das wusste Nema.

Doch dann, als Folge einer Nacht in der ihr Mann nicht ganz so stockbetrunken nach Hause kam und sie es freudig schaffte ihn zu ermuntern, kam endlich die Schwangerschaft. Nach neun Monaten weiterer Arbeit auf dem Kartoffelacker, mit stolz vor sich hergetragenem immer dicker werdendem Leib, kam das erste Kind. Es war ein zu allem Glück auch noch ein Sohn.
Wenn Frauen stillen, durften sie nicht mit ihren Männern schlafen. Jeder wusste, dass es deshalb für die Gesundheit des Mannes wichtig ist, dass er mit anderen Frauen schläft. Schon ihre Großmutter hatte ihr gesagt, dass das auf der Welt so eingerichtet ist.
Nema schlief mit Säugling auf dem Boden neben dem Ehebett, wenn Ihr Mann andere Frauen mit nach Hause brachte. Er beschlief sie mit harten und schnellen Stößen im Ehebett ober ihrem Kopf und Nema war glücklich und erleichtert darüber, dass sie der Welt im Umkreis von 20 Kilometern bewiesen hatte, dass sie eine richtige und gute Frau war: Sie hatte einen Sohn geboren und wurde nun auch nicht mehr so viel geschlagen!
Sie stillte lange, aber es passierte trotzdem und obwohl es gegen die Tradition war!
Eines Abends, nachdem der Mann sich kurz aufstöhnend in das mitgebrachte quietschende junge Mädchen im Bett ober ihr ergossen hatte, war er gerade betrunken genug, um aus dem Ehebett zu fallen. Er fiel auf Nema, die gerade noch den Sohn zu Seite schieben konnte und ihren Mann in die Arme nahm. So wurde sehr rasch nach dem ersten Sohn, die erste Tochter geboren.'

0 Comments:

Post a Comment

Subscribe to Post Comments [Atom]

<< Home

Google Earth